Mission „Sea Bass On The Fly“- Süd/West-Küste Irland

Anmerkung der Redaktion:
Wer ist eigentlich Ralf Haeger?

Ralf fischt seit seiner frühen Kindheit, immer wieder unterbrochen und / oder in den Hintergrund rückend, wenn andere Leidenschaften raum griffen od. das Berufsleben Vorrang bekam. Als Kletterer bereiste er die Welt für über 25 Jahre, wo er sich mitunter auch, völlig uneigennützig, um die abendliche Versorgung mit Fischprotein kümmerte. Ralf war & ist als Stunt Coordinator vorwiegend im Filmbusiness tätig, wo er u.a. in führender Funktion bei Produktionen, wie POINT BREAK, JOHN WICK 4 od. MATRIX RESURRECTIONS erfolgreich war. Momentan widmet er sich wieder intensiver dem Bereisen der Welt mit seinem neu erworbenen Van in fliegenfischender Mission.

www.haeger-stunt.de

Als ich in diesem Sommer von einem Trip in den Norden Schwedens zurück kam, bei dem ich hauptsächlich in der Gegend um Ammarnäs auf große Äschen gefischt hatte, war aus einer ersten Idee ein Entschluss geworden: Ich brauche ein größeres und vor allem geländetaugliches Fahrzeug für meine weiteren Angelreisen. Ich wollte flexibler und unabhängig sein, mich selber versorgen können und übernachten, wo es mir gefiel.

Meine Recherche im Internet endete damit, dass ich schon wenige Tage später Besitzer eines 4 x 4 Hymer RSX Grand Canyon wurde. Ein Spontankauf, über den man besser nicht lange nachdachte. Der Wagen kostete mich zwar eine ordentliche Stange Geld, bot aber auch einiges an technischer und optischer Finesse. Meine nächste große Angelreise lag in weiter Ferne und da ich das Fahrzeug möglichst schnell zum Einsatz bringen wollte, musste für die Jungfernfahrt etwas schnell zu realisierendes gefunden werden.

Ich rief meinen in Hamburg wohnenden Freund Stefan, seines Zeichens Gründer und Chefredakteur des SCALE Magazins an, um mich von ihm inspirieren zu lassen. Vielleicht hatte er eine Idee und sogar Lust mitzukommen. Er hatte. Er erzählte mir von einer seiner Reisen an die irische Küste, bei der er mit der Fliegenrute Wolfsbarsch fischte und die er unbedingt wiederholen wollte. Mir gefielen seine Erzählungen und plötzlich erinnerte ich mich auch an den Artikel, der er damals dazu bei SCALE veröffentlicht hatte. Die touristische Nachsaison September / Oktober schien, sowohl hinsichtlich des zurückgehenden allgemeinen Tourismus, als auch bzgl. der zu erwartenden Fangmöglichkeiten genau die richtige Zeit zu sein. Es braucht übrigens keine Erlaubnis für das Fischen im Meer (ausser man fischt auf Meerforellen). Das Mindestmass für Wolfsbarsch ist 42cm und man kann 2 Stück am Tag entnehmen. Mehr musste ich nicht wissen & beachten. 

Doch erst galt es noch das ein oder andere zu regeln. Für meinem Job musste ich Termine koordinieren, mein neues Expeditionsfahrzeug, das ich schlicht „Hermann“ taufte, hatte als „costumized vehicle“ einige Kinderkrankheiten, die es galt in den Griff zu bekommen und auch Stefan musste seinen Kalender nach einem passenden Termin durchforsten. Weil er keine feste Zusage machen konnte und für ihn die Option bestand, später nachzureisen, fuhr ich irgendwann einfach los …

Mission "Sea Bass On The Fly" 2022 on the coasts of Ireland

Endlich – es geht los!

Die Karre ist mit allen möglichen Rutenklassen und Tonnen von sonstiger Fliegenausrüstung bestückt, denn es ist September und auch die Forellensaison in Irland ist noch nicht abgeschlossen. Hechte soll’s auch geben und aufgrund meines limitierten Erfahrungsschatzes hinsichtlich der Angelei auf Wolfsbarsch möchte ich Ausweichmöglichkeiten haben und für alle Eventualitäten gerüstet sein. Ich war 1992 das letzte Mal in England, damals in anderer Mission und will, wie damals in Calais das Festland verlassen. Allerdings nicht mit der Fähre, denn mittlerweile gibt es einen Tunnel, der 2-3 mal die Stunde von Zügen befahren wird, die alle Arten von Fahrzeuge innerhalb von ca. 30 Minuten auf die andere Seite bringen. Mir fällt auf: Seit England die EU verlassen hat, scheint man es dort ziemlich genau zu nehmen, was Ausländer ins Englische Königreich einführen dürfen und weder die Franzosen noch die Iren machen so einen Zirkus drum. Es ging weiter an die Westküste und von Fishguard mit der Fähre nach Rosslare Harbour. Punkt 4 Uhr morgens komme ich in Irland an und fahre 1,5 Stunden zur Hook Halbinsel. Mein Travel-App sagt mir, dass man am Hook Head mit seinem Fahrzeug stehen und die Nacht verbringen darf. Auf dunklen engen Strassen mit Linksverkehr, geführt von einem Navisystem, das Dienst nach Vorschrift macht und den Maßen meines Trucks keine Beachtung schenkt, komme ich müde im Zielgebiet an.

Mission "Sea Bass On The Fly" 2022 on the coasts of Ireland
Mission "Sea Bass On The Fly" 2022 on the coasts of Ireland

Wo alles beginnt

Sonntagmorgen kurz vor 10 Uhr, windig, der Himmel  sonnig bis bedeckt, angenehme Temperaturen, ein  Leuchtturm und jede Menge Meer – wo sind hier bloß die Wolfsbarsche? Ich muss die Gegend erkunden. Allerdings – erstmal einkaufen müsste ich auch und was für ein Wochentag ist heute eigentlich? Haben die Geschäfte am Wochenende geöffnet? Fragen über Fragen.

 

Die Küste hier sieht jedenfalls unabhängig von Wochentag und Wetter erstmal spektakulär aus und scheint mehr oder weniger aus Klippen zu bestehen. Ein einheimischer Spinnangler zeigt sich. Zuviel „Weed“ im Wasser, wie er findet. Allerdings gab es letzten Sonntag hier „Bass“, wie er berichtet. Nachdem ich die Gegend zu Fuß und via Allrad erkundet habe (ein schöner kleiner Hafen liegt auf der genüberliegenden Seite) fliegenfische ich abends vom Ufer. Ich sehe andere Touristen angeln und ein einheimischer Angler verschwindet zielstrebig über die Felder in Richtung Meer. Ich fische mich an der Küste entlang in seine Richtung, um dann zu festzustellen, dass es immer schwieriger wird und auch an seinem Spot nur steile Felsen das Angeln fast unmöglich machen. Um sich ein Bild der Lage zu machen, reicht es mir und beende den ersten, wenn auch kurzen Angeltag.

 

Am nächsten Morgen breche ich erneut auf. Jetzt solls losgehen, der Küstenlinie folgend, irgendwie Straßen finden, die mich in Strand- bzw. Küstennähe bringen. Gleich in der Nähe finde ich eine wunderschöne Bucht: Tempelton-Houseland. Nach fußläufiger Erkundung fahre ich rückwärts in die Sackgasse zum Strand, denn Wenden ist unmöglich. Rute raus, Wattklamotten an. Meine ebenfalls neue Gezeiten-App sagt mir auflaufendes Wasser und wenig Wind vorher. Perfekte Bedingungen also. Ein wenig erinnert alles ans Meerforellenfischen in der Ostsee, allerdings hat die Tidenwelle hier trotz Windstille viel mehr Power und bringt jede Menge aufgewühltes Kraut mit. Die Sandbank, auf die ich mich begebe, lässt sich gut bewaten. Aber der Rückweg ist tricky. Natürlich ist mir klar, dass der Atlantik oder wie auch immer das Meer hier heißt, einen ernstzunehmenden Gezeitenhub hat. In welchen Strecken sich dieser 3-4m Höhenunterschied auswirkt, hängt aber vom „Ufergefälle“ ab.

Ich ziehe weiter und fahre die Küstenstrassen Richtung Süden. Jetzt heißt es erstmal Einkaufen, einen Campingplatz suchen, vor allem um den Wassertank zu füllen. Ich bin müde und möchte erstmal irgendwo schlafen – am besten dort, wo man niemanden nervt und Meerblick hat. Meine Camping-App weist mir den Weg und führt mich zu einem bereits geschlossenen „Campground“. Also Rechteck. „Wir schließen 20pm, aber wenn sie sagen, sie kommen, wird jemand auf sie warten“ … Küstenstraße zurück …  just in time. Ups, die haben andere Stromstecker hier! „Nein, verkaufen können wir ihnen keinen, aber borgen geht“. Perfekt – jetzt nur noch essen, lesen, schlafen.

Mission "Sea Bass On The Fly" 2022 on the coasts of Ireland
Mission "Sea Bass On The Fly" 2022 on the coasts of Ireland

HALLO SÜDKÜSTE, TSCHÜSS KOTFLÜGEL

Am nächsten Vormittag mache ich mein Wohnmobil startklar. Wassertank füllen, Grauwasser ablassen, Toilette ist noch unbenutzt. Ich bin in Tramore bei Waterford. Der Campingplatzwart sagt, am Strand vor der Stadt fischt man auf Wolfsbarsch und er hat dort auch schon mal einen Fliegenfischer gesehen. Ich bin voller Hoffnung, aber mir ist das alles zu überlaufen hier. Zudem gestaltet sich die Suche nach einem freien Standplatz  für die Übernachtung schwierig. Ein Umstand, der sich durch die gesamte Reise ziehen wird. Sehr häufig sind 2m Barrieren an den Parkflächen installiert – Einfahrt unmöglich, Wenden schwierig. Irgendwann reiße ich mir dabei die Lippe (Kotflügel) ab, doch Tape & Kabelbinder helfen bei der Reparatur. Die Westküste geht es weiter Richtung Süden, Karte & Gezeiten checken. Bei Anneston-Benvoy finde ich einen herrlichen Strand und die Ebbe zeigt mir den zerklüfteten, bewachsenden Untergrund. Das sieht alles sehr verheißungsvoll aus. Ich mache mir einen Begehungsplan und warte auf das auflaufende Wasser. Doch wie so häufig gibt es schon bald eine Planänderung. Wie sich herausstellt, ist das Riff nur sehr eingeschränkt begehbar und es besteht die Gefahr, dass die Flut mir den Rückweg abschneidet. Ich plane, vom glatten Strand aus zu fischen. Allerdings löst auch hier die Gezeitenströmung zu viele Pflanzenteile, was entspanntes Fischen verhindert. Der Wind nimmt zudem stark zu – Abbruch.

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Am Parkplatz kommt mir ein Spinnfischer entgegen, der zu wissen scheint, was er tut. Er weißt mir den Weg zu einer versteckten Bucht, wo er selbst heute noch aktiv werden will und empfiehlt mir maximal eine Stunde vorm Fluthöhepunkt bis eine Stunde danach zu fischen. Ich ziehe mir die Wathosen wieder an und und eile ihm einfach hinterher. Mist, nicht mein Wind, also Beach-Casten. Die Flut, ringt mir wertvolle Meter ab und zwingt mich wegen der näher kommenden Steilwand in die Brandung. Unglaublich, welche Kraft die Gezeitenwelle hat und nervig, wenn man mit dem Rücken zu ihr steht.

Es wird Abend und ich breche auf. Immer noch keinen Fisch und es scheint schwieriger als gedacht zu werden. Das  Meer hier hat definitiv mehr Kraft als die Ostsse und hat mir auch schon mehrmals die Beine weggehauen.  Hochspringen und die Welle austanzen funktioniert hier nicht. Meine STAYFREE App verweist auf einen scheinbar nett gelegenen Platz, den ich bald erreiche und auf dem auch schon jemand steht. Ein portugisischer Fotograf, der seit 5 Jahren mit seiner Freundin im Wohnmobil lebt und mir während des Gesprächs die App PARK4NIGHT empfiehlt, die danach mein ständiger Wegweiser & Berater auf dieser Tour wird. In den nächsten Tagen versuche ich weiter geeignete Stellen zum Fliegenfischen im Meer zu finden. Die neue App ist eine Offenbarung bzgl. Stellplatzsuche. Inzwischen bin ich wieder in Kontakt mit Stefan, dem ich angeboten habe, ihn in Dublin abzuholen, sollte er nachkommen. Meine gute Laune weicht zwischendurch, denn es werden mir die Termine für berufliche Meetings übermittelt, für die ich in meinem Urlaub „kurz“ nach Italien fliegen muss.

Mission "Sea Bass On The Fly" 2022 on the coasts of Ireland
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Der erste Fisch

Der nächste Tag ist da und ich suche immer noch die „richtige“ Stelle, spreche mit Einheimischen an einem Gezeitenstrom (Flüsse, bestimmt von den Gezeiten mit der dementsprechenden Fließrichtung). „Ja – hier gibt’s auch Wolfsbarsche aber die kommen nur bei Flut mit auflaufendem Wasser, nicht jetzt bei Ebbe Aber fahr mal dahinten um die Ecke, da ist ein grosser Strand, an dessen Ende ein Fluss ins Meer mündet. An diesem Hotspot lässt sich am ehesten etwas fangen.“

Ein Angler macht sich bei meiner Ankunft gerade auf den Weg zum Strand, der auf die Frage, ob das jetzt ein geeigneter Zeitpunkt zum „sea bass fishing“ ist, achselzuckend antwortet, dass es immer der richtige Zeitpunkt zum Angeln ist. Okay, na dann … Ich packe etwas unmotiviert meine Ausrüstung zusammen und sehe bei einem abschließendem Blick durchs Fernglas, dass der Angler von eben schon mit dem Kescher rumhantiert. Also hin da oder zumindest in seine Nähe. Vor mir breitet sich ein ewig langer Sandstrand aus und das gefällt mir sehr. Ich stelle mich ca. 100m stromauf neben ihn. Nur 10 Minuten später ist meine Rute krumm und weitere 5 Minuten später liegt mein erster Wolfsbarsch am Strand von Inchydoney bei Clonagilty. Der Bann ist gebrochen und den genau 70cm großen Fisch nehme ich mit. Dank meines neuen Fahrzeugs habe ich ja Kühlschrank & Küche dabei. Die Verwertung des Fangs sollte ohnehin Bestandteil eines solchen Abenteuers sein und wird auch auf dieser Reise zum Teil meines Ernährungsplanes. Weil ich gerade meinen 58. Geburtstag hinter mich gebracht habe, schieße ich vorher noch ein Foto des „Geschenk an mich selbst“ und bedanke mich damit in den sozialen Netzwerken für die entsprechende Aufmerksamkeit bei den Gratulantinnen und Gratulanten. 

Der Spot scheint fängig zu sein, aber da ich noch etwas von der Landschaft sehen möchte und außerdem weiter meinen neuen Wagen testen will, ziehe ich weiter. Meine Ratgeber-App führt mich in die Bucht von Union Hall bei Cork. Den Wolfsbarsch serviere ich mir als Filet und mache von den rohen Fischresten, die ich von Kopf & Gräten kratzte, ein extrem leckeres Ceviche. Was dann noch über ist, bekommen die Möwen, die mich beim Herumhantieren mit dem Fisch lüstern und aufmerksam beobachteten. Interessant zu sehen, welche Show diese Vögel abziehen: Laut schreiend und damit alle Artgenossen anlockend: „Das ist meins! Das ist meins!“ Und auch die Konkurrenz zeigt sich in Form eines Hundes eines Spaziergängers, der sich den Kopf der Karkasse schnappt und unter dem Geschrei der Möwen genüsslich auffrisst. Ich bin glücklich, dass so viele von dem Fisch partizipiert haben und der Wolfsbarsch komplett verwertet wurde.

Mission "Sea Bass On The Fly" 2022 on the coasts of Ireland
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Wolfsbarsch ohne Ende

Am nächsten Tag erreicht mich auf dem Telefon eine Nachricht, in der ich auf einen Kaffee eingeladen werde. „Ich bin am Strand von Allihies und arbeite hier.“ Jemanden, den ich von vor 10 Jahren in Indien kennengelernt hatte und der wusste, dass ich in Irland war, lädt mich ein. Der Locationcheck sagt 1,5 Std. Fahrt Richtung Süden. Passt. Alice betreibt dort während der Saison einen Food Truck, der um 5pm schließt. Ich bin pünktlich bei ihr und bekomme meinen versprochenen Kaffee. Vor mir liegt eine herrliche Bucht – weit weg von allem, kaum Menschen, weil Nachsaison und ein ruhiger Campingplatz direkt über dem Strand. Perfekt, hier bleibe ich erstmal. Nach dem Schwimmen im Meer fische ich noch ein bisschen in lockerer „Beach Wear“. Es gibt Pollack & Hornhechte. Abends grillen wir den restlichen Wolfsbarsch. Den nächten Tag, nach dem morgendlichen Bad im Meer, mache ich mir ein Bild von dem Strand Ballydonegan Beach. Auch hier beste Bedingungen: High Tide und außer mir niemand da. Es folgen Wolfsbarsch # 2 und später # 3. Hamma! Die Ecke ist ein echtes Paradies und ich beschließe, auch den morgigen Tag hier zu fischen. Es folgt Fisch # 4, der am Abend als Sashimi, Cerviche & BBQ auf unseren Tellern endet.

Ein Termin in Dublin, den ich zwischendurch gemacht habe, rückt näher und ich mache mich auf den Rückweg. Allerdings in einem Bogen Richtung Süden über einen gesperrten Pass, auf die andere Seite der Beara Halbinsel / Kenmare – Bantry. Vorbei an einsamen Küsten und Häfen, auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz und der Möglichkeit zu angeln. In den flachen Buchten, tauchen mittlerweile zunehmend Schwärme von Meeräschen auf. Fische, die ich in der Ostsee gefangen habe, als es die dort noch gab. Ich habe entsprechende Fliegen und eine #6er Rute im Gepäck. Im Moment stelle ich allerdings noch Wolfsbarschen nach und bin ausschließlich mit mittelgroßen Streamern, einer #8er Rute und Intermediate Schnur ausgerüstet. Als ich vom Auto mit neuem Equipment zurückkomme, haben sich die Bedingungen geändert. Die Fische stehen jetzt in zu flachem Wasser und grasen dort Algen ab. Egal, ein schöner Versuch wäre es gewesen. Ich wechselte noch einmal das Material, denn je nach Wasserstand ließen sich abends in der Nähe meiner Schlafstellplätze fast überall von den Klippen kleinere Pollacks fangen.

Ich unterbreche dann meinen Trip für eine knappe Woche und fliege zu meinen Businessterminen nach Sizilien. Die 4-Sterne Hotels sind ein echtes Kontrastprogramm zu meinem rollenden Zuhause. Stefan hat inzwischen seine Teilnahme gecancelt, weil er vor lauter Abend kein Land sieht. Ich treffe nach meiner Rückkehr aus Italien einige befreundeten Kollegen nach Wiederankunft in Dublin und wir haben eine gute Zeit in Irlands Hauptstadt. Iren sind übrigens generell einfach super entspannt, anteilnehmend und hilfsbereit. Sie scheinen alle Zeit der Welt zu haben und das kann eben auch bedeuten, dass vereinzelt auf Straßen, auf denen 60 km/h erlaubt sind, gerade mal 30 gefahren wird.

Neben einem großen Bett, Dusche und irischem Essen, bekomme ich von einem ebenfalls fischenden Kollegen, der eher Hechten nachstellt, ein PDF mit fischereilichen Nutzungsmöglichkeiten der Westküste. Dieses ist nicht explizit aufs Fliegenfischen ausgerichtet, zeigt aber Spots, an denen Wolfsbarsche zu finden sind. Ich bereite mich für den nächsten Teil der Reise vor: Wohnmobil befüllen und entleeren, Vorräte auffrischen. Dann gehts wieder ab auf die Piste Richtung Süden. Es ist Ende September, das Wetter noch herrlich und es folgt ein kurzer Zwischenstopp am Strand von Anneston-Benvoy bevor ich nach Internetrecherche den gut sortierten Clonanav Fly Shop besuche. Ich habe mein Bindematerial vergessen und brauche dringend Material für ein fängiges Fliegenmuster. Das Fliegenfischen im Meer scheint allerdings noch nicht so richtig angenommen zu werden. Dieser Shop z.B. finanziert und trägt sich durch Onlinehandel von Equipment zum Fliegenfischen auf Forellen und Lachse sowie Guiding. Ein fischereiliches Feld, auf das ich equipmentmäßig auch vorbereitet war, aber mittlerweile hat mich der Wolfsbarsch als Zielfisch völlig in den Bann gezogen. 

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Ein neuer Plan

Auf meinem Weg gen Süden lege ich die Tour so, dass wenn Wetter und Gezeiten passten, ich wolfsbarschmässig in Clonakilty am Inchedoney Beach nochmal richtig abräumen kann. Ich treffe also bei sonnigem, fast windstillem Wetter (der schwache Wind ist sogar perfekt für mich als Linkshänder) an einem Sonntagmittag wieder vor dem Hotelgelände ein. Der Ort und damit auch alle Parklätze sind voll mit allen möglichen Ausflüglern, denn das Wetter ist gut und es ist Wochenende. Es wimmelt von Surfern, Badenden und Sonnenanbetern und das Hotelparkplatzgebiet ist ausschließlich nur Gästen vorbehalten. „Hallo? Ich komme extra aus Deutschland, weil ich hier angeln will!“ denke ich mir, aber es hilft nix, ich finde keinen Platz für meinen Wagen und überlege kurz in dem Hotel einzuchecken. Nach langem Suchen schaffe ich es doch noch, die Karre vernünftig abzustellen und mache mich barfuß in kurzen Hosen, mit Watjacke und Angelzeug auf den Weg zu „meinem“ Gewässer. Doch trotz ähnlicher Bedingungen, wie bei meinem ersten Fischzug hier, bleibe ich diesmal nach knapp 5 Std. hartem Fischen erfolglos. Ich gebe ich auf. Heute ist nicht mein Tag. Soviel zum Plan …

Das Wetter verschlechtert sich und ich beschließe etwas zu ändern, das Pferd quasi von hinten aufzuzäumen und das schlechte Wetter zum Reisen und Erkunden zu nutzen und dabei soweit, wie möglich, in den Südwesten zu fahren. Dahin, wo mein PDF mit den Angelstellen, aufhört Stellen zu beschreiben. Um der Eintönigkeit des Regens zu entgehen, steige ich zwischendurch tatsächlich in einem Hotel ab. Endlich eine heiße Dusche, irisches Essen mit irischem Bier genießen. Ich will zudem heute Abend Streamer binden, um meine Box aufzufüllen. Rote Epoxy-Augen – unbeschwert / Silberne Augen mit beschwertem Kopf. Bei der Abreise am nächsten Tag frage ich mich, was die Reinigungskräfte wohl denken, wenn sie die ganzen Fusselreste auf meinem Zimmer finden.

Mission "Sea Bass On The Fly" 2022 on the coasts of Ireland
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Südlicher gehts nicht

Das südlichste Gebiet auf meinem Fisch-PDF ist die Küste von Kerry Head – Blennerville Tralee Bay.  Die Strände dort sind vor allem extrem breit und zu meinem „Lost-Gefühl“, dass mich gerade befällt, kommen jetzt noch ein heftiger Wind und hohe Wellen. Also weiter auf dem Weg zurück – nächste Halbinsel: Dingle Peninsula. Die Wetterbedingungen sind immer noch nicht einladend und mittlerweile regnet es in Strömen. Ich übernachte vorm Strand von Brandon Bay und überquere am nächsten Tag den vor mir liegenden Bergrücken. Die ein oder andere Durchfahrtsbeschränkung muss ich dabei ignorieren, denn mein neues Gefährt ist schwer und groß. Als Ausländer muss ich nicht jedes Schild verstehen, denke ich mir und konzentriere mich lieber auf die beeindruckende Landschaft links und rechts dieser engen Hochlandstrasse. Ich bin aufgrund der Wetterlage immer noch im Abcheckmodus, sehe mir Locations rund um Dingle  an, um dann zur Landzunge von Inch Beach zu fahren – einem kilometerlangen Sandstrand, der für Fahrzeuge freigegeben zu sein scheint. Ich fahre den sehr schönen Strand ab, bis kein anderes Fahrzeug mehr zu sehen ist.

Nachdem ich an mehreren Stränden von Kenmare / Ring of Kerry mehr od. weniger erfolglos gefischt habe, entdecke ich über eine kleine Seitenstraße den Inny River mit seiner Einmündung ins Meer – ein herrliches Fleckchen Erde. Ich befinde mich zwar bei meiner Ankunft zwischen den Gezeitenumbrüchen aber was soll’s: Ich bin zum Angeln hier und es heißt am Ende: Drei releaste Wolfsbarsche zwischen 40-50cm. Ich blieb über Nacht, um den nächsten Tag hier weiter zu fischen. Am folgenden Morgen finden sich bei Hochwasser und einsetzender Ebbe mehrere Spinnangler aus England & Schottland ein. Scheinbar ein bekannter Hot Spot, denke ich. Bruno, wie er sich später vorstellt, kommt sogar aus Frankreich und ist der einzige Fliegenfischer, den ich auf der ganzen Reise treffe. Letztendlich bleibe ich zwei Tage in diesem tollen Revier. Bruno verliert einen Wolfsbarsch – ansonsten bringt dieser Spot keinen weiteren Fisch. Ich arbeitete mich entlang der Küstenlinie wieder in Richtung der Beara Halbinsel. Es wird zunehmend herbstlicher und ich fische, wo es geht und muss mich häufig mit kleineren Pollacks zufrieden geben. Trotzdem empfinde ich das Ganze gerade als Jammern auf hohem Niveau, denn immer noch befinde ich mich an unglaublich schönen, einsamem, zerklüfteten Küstenabschnitten mit Flusseinläufen und kleinen Buchten.

Die beindruckende Landschaft inflationiert sich langsam und mich überkommt ein Gefühl der „Gehetztheit“, während ich einen Küstenabschnitt nach dem anderen abhake. Ich versuch, mir selber keinen Fischdruck mehr zu machen und fokussiere mich auf Stellen, wie überschaubare Buchten und Flüsse oder Fjorde mit Gezeitenströmung, die ich für sehr fängig halte. Die etwas schwierige Parkplatzsuche für größere Fahrzeuge, respektive Wohnmobile am Abend gestaltet sich allerdings immer schwieriger. Am Warren Beach bei Rosscarbery muss ich meinen Van neben dem höhenrestriktierten Parkplatz in ein Gebüsch neben die Straße quetschen. An dem einem Ende des Strandes mündete erkennbar ein Gezeiteneinlauf und obwohl wieder keine perfekten Tiden-Zeiten herrschen, will ich dieser Stelle ein Chance geben. Und tatsächlich folgt der erste Einschlag nach wenigen Minuten beim Swing aus der Dead Drift, gefolgt vom einem zweiten wenig später. Spinnangler, die dem Gezeitenkalender folgend später zur entsetzenden Ebbe kommen, gehen heute leer aus. Langsam beginne ich an die Heimreise zu denken. Der Druck, etwas fangen zu müssen, ist inzwischen verflogen. Ich weiß jetzt wie’s geht und will aber auf jeden Fall nochmal in Clonakilty angreifen und dort einen ganzen Gezeitenzyklus fischen – einschließlich des Gezeitenwechsels von Ebbe auf Flut.

Als der Wetterbericht endlich passt, buche ich mich via booking.com in das Hotel am Strand ein, um einen ganzen Tag und den darauf folgenden fischen zu können. Doch es gestaltete sich alles etwas anders. Ich komme leider erst am späten Nachmittag an, so dass ich nur noch die Flussmündung mit der einsetzenden Flut fischen kann. Als ich die Mündung erreiche, ist die Ebbe in den letzten Zügen und die schwache Strömung perfekt. Ich kann den Streamer an der Intermediate in der Dead Drift etwas auf Tiefe bringen und nachdem ich die Schnur in die Strömung gemendet habe, um den Swing zu forcieren, kommt der Take. Es folgt das übliche und inzwischen „vertraute“ Kopfschütteln des Gegners. Dann beginnt eine heftige Flucht, die durch Halten der Schnur mit der Hand nicht zu stoppen Ist. All right, das ist also ein Erwachsener, denke ich. Ich bereitete mich darauf vor, die aus dem Schusskopf gehende Schnur mit der Rolle zu übernehmen und genau das geht in die Hose. Der Fisch gibt dermaßen Gas, dass die Rolle, die noch eine sehr leichte Bremsvoreinstellung hat, überläuft. Ich bin im Drill damit beschäftigt den Schnursalat zu entwirren, als der Fisch bei abgesenkter Rute in die blockierte Rolle „stürmt“ und das 30er Tippet reißt. Der Fisch hat mich quasi mit offenem Visier überrascht. Wow, das war ein großer Fisch, denke ich, aber shit happend.

Ich werte das als ein Zeichen und beende den Angeltag. Im Hotel gönne ich mir dann Hummer, Austern, Weißwein und einen Clonakilty Irish Whisky aus der Region und alles fühlt sich richtig und gut an. Den ganzen nächsten Tag fische ich den Flusseinlauf hoch und runter, bleibe aber bis auf einige Pollacks die mit der Flut kommen, erfolglos. An den folgenden Tagen will ich abschließend den Fjord um Courtmacsherry erkunden. Dort fahre ich mehrere Stellen an, die mich nicht überzeugen, um dann an einer weiteren Flussmündung ins Wasser zu steigen – wie häufig mitten in den Gezeiten. Ich  stehe im ausströmenden Wasser fast mitten im Meer, um wenig später einen Take mit anschließenden Fluchten zu erleben, die mich an den beschriebenen Tag zuvor erinnern, der mit Schnurbruch endete. Diesmal bin ich vorbereitet und werde mit einem unglaublich massigen Wolfsbarsch um die 80cm belohnt. Was für ein Abschluss – jetzt kann’s nach Hause gehen … 

Mission "Sea Bass On The Fly" 2022 on the coasts of Ireland
Mission "Sea Bass On The Fly" 2022 on the coasts of Ireland
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Fazit:

Ich habe alle möglichen Strände und Flussmündungen gesehen und viele davon auch befischt. Ich habe bei Ebbe und Flut geangeln, teilweise auch in der Brandung oder in der letzten Welle. Am erfolgreichsten war ich dabei in leicht strömendem Wasser. Sicher kann man auf stärker sinkende Schnüre zugreifen, aber meine Intermediate schien die beste Allroundschnur zu sein. Ich habe bei bewegtem, trüben Wasser im Meer schnell gestrippt und ging die Sache langsamer an, wenn es ruhig und sichtig war. Die meisten Takes gab es in den „Flüssen“ (Ein- und Ausläufen), wenn der Streamer mit der Strömung trieb od. begann sich daraus zu lösen. Alles in allem bin sehr dankbar für die Erfahrungen an dieser, teilweise sehr wilden Küste und kann mir sehr gut vorstellen, so etwas hier nochmal zu machen ohne es zu wiederholen.

Thank You: Enda / Brendan, Lisa, Fionn & Norman / Alice.

 Go raibh maith agat Éire.

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